Montag, 27. September 2010

Hardcore Keynes bis zu den animal spirits

In dieser Woche geht es weiter mit der Keynes-Serie im Handelsblatt. Nach der Einleitung mit dem “Stammbaum der Makroökonomie” und den Impressionen aus dem Leben von Keynes in der vergangenen Woche dringt Olaf Storbeck diesmal in den Kern von Keynes vor. Der Beitrag dreht sich um das Schlüsselwerk von Keynes, der 1936 veröffentlichten "Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes". Irgendwo in nicht ausgepackten Umzugskisten liegt auch noch mein Exemplar. Und ich habe der Versuchung widerstanden, es zu suchen. Ist auch nicht notwendig, denn wesentliche Essenzen erklärt Storbeck. Das reicht zwar nicht für eine Examensklausur in VWL, aber zum Verständnis der wirtschaftspolitischen Diskussion wünschte man sich, auch mehr Politiker würden ein Blick in solche Artikel werfen.
Warum? Das erklärt der Beitrag: “Alle reden über Keynes, kaum jemand hat sein Werk gelesen. In Debatten über seine Konzepte schleichen sich oft Ungenauigkeiten, Vorurteile und Mythen ein. Die "Popularisierung der Keynes’schen Theorie", schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Karl Eman Pribram in seiner "Geschichte des ökonomischen Denkens", habe jede Menge "Verwirrung" mit sich gebracht.”
Interessant , dass das, was heute unter keynesianischer Politik verstanden wird, lediglich einer speziellen Interpretation seiner Gedanken entspricht. So erfährt der Leser, dass das Keynes gern zugeschriebene “deficit spending” gar nicht zum, wahren Kern gehört. Dazu Storbeck: “Wer die Antwort in der "Allgemeinen Theorie" sucht, wird staunen. Das berühmte "deficit spending" wird dort nur am Rande erwähnt. Das vermeintlich ur-keynesianische Diktum, zwischen niedriger Arbeitslosigkeit und niedriger Inflation bestehe ein Zielkonflikt, ist überhaupt kein Thema, auch das legendäre keynesianische "IS-LM"-Modell der Gesamtwirtschaft, bis heute Standard-Lehrstoff, sucht man vergeblich.”

Zwei Kernbotschaften der Allgemeinen Theorie arbeitet Storbeck heraus: Der Kapitalismus, so die eine, ist aus sich selbst heraus instabil und unfähig, aus eigener Kraft Vollbeschäftigung zu schaffen. Der Staat jedoch, das ist die zweite wichtige These, kann diese Schwäche in den Griff bekommen – und zwar ohne gleich die Marktwirtschaft komplett abschaffen zu müssen.
In diesem Blog schaue ich gern auf verhaltenswissenschaftliche ökonomische Ansätze. Auch dazu hat Keynes sich geäußert, nur hat die Mainstreamökonomie diese Essenzen lange ignoriert. Storbeck schreibt: “Es komme vor allem auf das Bauchgefühl der Unternehmer an – auf ihre "animalischen Instinkte" ("animal spirits"). Diese seien Wellen von Optimismus und Pessimismus ausgesetzt. Das irrationale Auf und Ab der Erwartungen führe dazu, "dass Rezessionen und Depressionen in ihrer Stärke verstärkt werden". Im Zweifel, vermutet Keynes, investiere die Privatwirtschaft aus Angst vor der Zukunft nicht genug, um für Vollbeschäftigung zu sorgen. Auch niedrige Zinsen können das nicht ändern.”
Schade über die Animal Spirits, zu denen gerade Robert Shiller und George Akerlof gerade ein Buch veröffentlicht haben, hätte ich gern noch mehr lesen. Aber die Serie ist ja noch nicht zu Ende, hoffe ich wenigstens. 

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